Mit Erwartungen ist das so eine Sache. Oft wird man durch die Covergestaltung oder den Klappentext eines Buches so stark beeinflusst, dass man sich sicher wähnt, welche Geschichte einen erwartet. Medienpräsenz, Auszeichnungen und Buchkritiken können da ebenfalls ihren Teil beitragen.
Bei mir war es eine Mischung aus alledem, gepaart mit dem momentanen Hype um Steampunk-Bücher und jugendliche Helden in dystopischen Welten. Und was bin ich froh, dass meine Erwartungen hier nicht nur über den Haufen geworfen, sondern um ein Tausendfaches übertroffen wurden.
Deutscher Titel: noch nicht bekannt
Erschienen: 2011
Seiten: 284
Erschienen bei: Prime BooksMeine Bewertung: 9,5/10
Erster Satz: The tent is draped with strings of bare bulbs, with bits of mirror tied here and there to make it sparkle. (It doesn’t look shabby until you’ve already paid.)
Es gibt Bücher, bei denen man neidisch wird, dass man nicht selbst so wundervoll schreiben kann wie die Autorin. In Mechanique ist jedes Wort perfekt, jeder Satz durchdacht und jedes Kapitel wie ein Gedicht. Bücher wie dieses rufen mir wieder in Erinnerung, warum ich Genre-Literatur lese. Denn Genevieve Valentine steht in sprachlichem Können den großen Schriftstellern unserer Zeit in nichts nach. Hätte ich etwas zu sagen, würde ich ihr jeden nur erdenklichen Preis für dieses Meisterwerk hinterherwerfen.
Little George ist Teil des Zirkus Tresaulti, der vor jeder noch stehenden Stadt sein Zelt aufschlägt und mit künstlerischen Akten fasziniert. Ayar, der Starke Mann mit der Wirbelsäule aus Stahl, die fliegenden Mädchen auf ihren Trapezen, die Jongleure und die akrobatischen Grimaldi-Brüder, Jonah, der Junge mit der Uhrwerk-Lunge…
Genevieve Valentine schafft es, Charaktere innerhalb von zwei Sätzen zum Leben zu erwecken, ihnen eine Vergangenheit und eine Zukunft zu geben und das scheinbar mühelos. Dieses Buch mischt Genres wie kein anderes. Teil Steampunk-Buch, Teil Charakterstudie, mit einer sehr versteckten Liebesgeschichte in einer dystopischen Welt. Mit Bravour jongliert sie diesen Mix und trifft stets den richtigen Ton.
Die Autorin springt nicht nur wild in der Zeit herum, sie wechselt auch immer wieder die Erzählperspektive. Während der Großteil des Romans von Little George in der Ich-Perspektive erzählt wird, springt die Erzählung in manchen Kapiteln in die dritte Person und zeitweise sogar in die zweite Person. Diese Du-Sicht gefällt mir normalerweise gar nicht, aber hier weiß man immer ganz genau, wer dieses “du” ist und diese Persepktive wurde so gut gewählt, dass es mir erst nach mehreren Kapiteln aufgefallen ist.. Und auch diese Mischung funktioniert ausgezeichnet. Da Genevieve Valentine den Leser direkt anspricht, fühlt man sich dicht im Geschehen und erlebt wirklich mit, was in der Manege vor sich geht. Man sieht das Geschehen durch die Augen verschiedenster Charaktere und weiß nur sehr selten mehr als die Zirkustruppe.
Hier eine sehr schöne Passage, in der Jonah mehr oder weniger unfreiwillig einen Wolf adoptiert hat, der sich dem Zirkus angeschlossen hat und nun langsam immer wilder wird:
One day the wolf was wild enough to run into the forest near their camp, hunting something only it could sense. A week later when they pulled down the tent, the wolf had not come back. “Call it, if you want,” Boss told Jonah. “We’ll wait.”
That night Jonah stood for an hour at the edge of the camp, looking into the darkness of the woods. He came back empty-handed.
Ayar frowned. “It didn’t come?”
Jonah said, “I didn’t call.”
Mir fehlen die Worte um zu beschreiben, was für ein Erlebnis dieses Buch war. Nach der letzten Seite überkommt einen Trauer und man wünscht sich zurück in diese seltsame, düstere Welt des Zirkus Tresaulti. Man ertappt sich dabei wie man zu den schönsten Passagen zurückblättert und die Worte in sich aufsaugt. Meine Daumen für den Nebula-Award sind gedrückt und ich denke, es ist nicht zu früh um zu sagen, dass dieses Buch eines meiner Jahreshighlights wird.
PRO: Poetische Sprache, tiefgehende Charaktere, ein spannender Plot, originelle Ideen und interessanter Stilmix.
CON: Mir fällt nichts, aber auch gar nichts ein, was ich hier zu beanstanden hätte.
FAZIT: Absolut lesenswert, für ein sehr junges Publikum vielleicht etwas verwirrend.
BEWERTUNG: 9,5/10
Auf der Homepage zum Roman findet man die ersten Seiten als Leseprobe, Videos und Infos sowie Kurzgeschichten über den Zirkus Tresaulti (genau darauf werde ich mich sofort stürzen).
Hallo Nadine,
du hast mich mit deiner schönen Rezension soo neugierig auf den Roman gemacht! Habe mir jetzt endlich mal die Homepage dazu angesehen und alleine die ist ja schon total liebevoll gemacht, hach! 🙂
Die Leseprobe ist jedenfalls schon auf dem Kindle, jetzt kann es nicht mehr allzu lange dauern, bis auch der ganze Roman bei mir landet.
Viele Grüße,
Cookie von “drüben”
PS: Eine sehr sehr schöne Seite hast du hier! Werde nun regelmäßig vorbeilesen 🙂
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Hallo Cookie,
Oh wie toll, dass du hierher gefunden hast. Das Buch kann ich wirklich nur wärmstens empfehlen. Wenn dir die Leseprobe gefallen hat, wirst du auch den Rest mögen. *schwärm*
Und danke für das liebe Kompliment. Das gebührt aber hauptsächlich der Person, die den Blog-Theme kreiert hat. Ich bin selbst ganz angetan.
Ich besuch dich gleich mal “drüben”. 🙂
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